Ökofuzzis und Greenwasher

Heutzutage darf man sich ruhig mal als Ökofuzzi outen, ohne sich gleich von der Mehrheitsgesellschaft unversöhnlich zu entfremden. Öko ist nämlich Mainstream geworden. Sogar so mainstreamig, dass Erdölkonzerne mittlerweile den Ablasshandel mit CO2-Zertifikaten per Kundenkarte anbieten oder Möbelkonzerne ihre angebliche Nachhaltigkeitsstrategien zum Hauptinhalt der Public Relations machen. Die Realität sieht – wie so oft – etwas differenzierter aus. Greenwashing ist das Gebot der Stunde bei vielen Unternehmen.

Das große blau-gelb-schwedische Möbelhaus ist dabei schon fast ein Meme, driften doch Öffentlichkeitsarbeit und Realität zusehends auseinander. Jenes grüne Licht, in welchem sich besagter Konzern gerne selbst darstellt, flackert ordentlich. IKEA ist der Inbegriff der Globalisierung und des schnellen Konsums, schreibt da eine Autorin und spricht damit aus, was jeder vernunftbegabte Konsument zumindest als vage Ahnung schon verspürte: Die Fast Furniture ist teurer als gedacht – zumindest für die Umwelt. IKEA steuert medial gegen und betreibt seit Jahren fleißig Greenwashing. Auf der Unternehmenswebsite formuliert man das so: „Daraus entsteht dann das IKEA Sortiment auf Grundlage des demokratischen Designs, das uns erschwingliche, zugängliche und nachhaltige Lösungen für alle ermöglicht.“ Hört sich doch gut an, nachhaltig-demokratisch-erschwinglich, ist aber Bullshit-Bingo.

  • Besonders nachhaltig ist zumindest die Datensammlung.
  • Demokratisch ist das Design vielleicht in dem Sinne, als dass die Produktgestaltung konzeptionell vorwiegend auf den einfachsten Formen der Gestaltwahrnehmung beruht. Das (visuell) geringste Übel sozusagen – Manche behaupten ähnliches ja auch von der Demokratie als solcher. Mit IKEA kann auch der Ästhetik-Invalide nichts falsch machen – die Reduktion auf einfachste Möbelgeometrien lässt kaum Raum für Interpretation und ist neutral im Statement, somit ideal für Unentschlossene. Ein scheinbarer Widerspruch, fühlen sich doch wenig entscheidungsfreudige Gemüter in Demokratien prinzipbedingt nicht unbedingt wohl.
  • Erschwinglich sind die Produkte. Funktional und günstig, aber oft auch billig.

Die unheilige Allianz aus Billigpreis, Obsoleszenz, Massenproduktion, Globalisierung und knapper Kalkulation führt uns jedoch die Destruktivität dieses demokratischen Designs vor Augen.

IKEA mag billige Ausreden finden, wenn die Lieferkette einen anderen Waldbesitzer, Sägewerke und Spanplattenfabriken umfasst. Aber dieses Mal decken wir auf, was sie in ihren eigenen Wäldern tun, die sie in Rumänien abgeholzt haben. Das ist Heuchelei! Die Erde schmilzt und IKEA zerstört genau die natürlichen Hilfsmittel, die das Klima, die Artenvielfalt, sauberes Wasser, Boden und Luft retten könnten. Es ist an der Zeit, dass IKEA von Green Washing zu echtem grünem Handeln übergeht

Gabriel Paun 2021, Präsident der rumänischen Umwelt-NGO Agent Green

Im Allgemeinen könnte man fast den Eindruck bekommen, die Klimakrise sei ein Konstrukt der PR-Abteilungen, um mit dem scheinheiligen Problemeingeständnis (wir Unternehmen sind schuld) auch gleich die Lösung (aber ab jetzt ist alles anders) verkaufen zu können. Das erinnert doch irgendwie an die Diversity-Kampagnen, mit denen sich Niedriglohn-Prekariat-Unternehmen selbst feiern und sich zu social-justice-warriors machen möchten.

IKEA, EDEKA, ÖBB, Amazon, Post, Shell, ÖMV, H&M, Nestle, Sparkasse und viele mehr verbreiten ihre pathetischen und emotionsgeschwängerten Messages über alle Kanäle. Wie sich die Bildsprache der Commercials doch gleicht, sogar Dramaturgie, Color Grading und Protagonisten ähneln sich. Einfallslosigkeit, die Vielfältigkeit suggerieren, und schließlich dem Konsumenten ein gutes Gewissen machen möchte. Die Message an die Kunden ist eigentlich: Konsumiere einfach weiter wie bisher, wir machen eh irgendwas. Man investiert halt lieber etwas in die PR, als in tatsächliche Handlungen – ist auch viel günstiger. Sieht man sich die Kommentare zu den Werbungen in den sozialen Medien an, liest man beispielsweise „schöner Song“, „super Video – Gänsehaut“, „starke Bilder“ usw. Wir lassen uns halt gern einlullen, dem guten Gewissen halber.

In meiner subjektiven Wahrnehmung mutet das mediale Agenda Setting der wiederauferstandenen Öko-Bewegung fast schon religiös an: Verehrte Ikonen bieten Gewissensberuhigung und Sinn- bzw. Identitätsstiftung, ohne dass der finanzkräftige Mittelschichtler die persönliche Komfortzone verlassen muss… Mehr Konsum als Lösung eines Problems, welches wir ohne exzessiven Konsum in diesem Ausmaß gar nicht hätten. Jene Personen und Unternehmen, die sich von PR-Agenturen zu Problemlösern und Weltrettern hochstilisieren lassen, sind ursprünglich selbst Teil der Ursache. Kill your idols.

Kill your idols – Lerne selbst zu denken, das lehrten uns bereits good old Immanuel Kant und später Sonic Youth.

Machen wir es uns nicht zu einfach: Die Unternehmen tragen eine Mitschuld, sind aber nicht ursächlich alleinverantwortlich für Schäden an Umwelt und Gesellschaft. Machen wir uns bewusst: Der Markt, an dem jedes Individuum beteiligt ist, regelt von sich alleine heraus gar nichts. Die konstante Nachfrage durch Konsumenten erzeugt das Angebot, welches aufgrund kapitalistischer Optimierungsstrategien oft, aber nicht zwangsläufig, menschen- und umweltverachtend produziert wird. Die Gesetze des Markts sind aber keine Zwangsläufigkeit, sondern können von den Akteuren gestaltet werden, wobei das elementarste Teilchen die Entscheidung des einzelnen Konsumenten ist.

Überlegen wir deshalb, wie wir selbst mit unserem Konsumverhalten umgehen können:

  • Regionale Produktion und Wertschöpfung durch das eigene Konsumverhalten fördern
  • Auf kurze Transportwege achten
  • Billigstpreis-Strategien von Unternehmen nicht fördern
  • Keine Monopole fördern
  • Fleischkonsum reduzieren oder einstellen, Hafermilch statt Kuhmilch nutzen
  • Geräte- und Produktnutzungsdauer maximieren, Abfall verringern
  • Qualität statt Quantität bei Kleidung und Gütern des täglichen Lebens; keine Fast Fashion
  • Bei Anschaffung auf Recycelbarkeit von Produkten achten
  • Lebensmittel niemals verschwenden
  • Energiesparende Technologien einsetzen
  • Leitungswasser mit Aroma versetzen anstatt Limonaden
  • Öfters mal offline sein
  • Flugreisen vermeiden
  • Auf ökologische Prüfsiegel achten
  • … setze diese Liste mit deinen eigenen Ideen fort

Ein letzter Tipp noch: Technik- und Naturwissenschaften studieren. Forschung und Technologien sind die Schlüsselelemente aller Lösungsansätze.